Anlässlich der Telefonkonferenz der NATO-Verteidigungsminister*innen am 22. und 23.10.2020 erklären Dr. Tobias Lindner, Sprecher für Sicherheitspolitik, und Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Die NATO-Verteidigungsminister*innen müssen sich bei ihrer Telefonkonferenz endlich den inneren Problemen der NATO stellen. Die Alleingänge der USA unter Donald Trump strapazieren die Bündnissolidarität. Die NATO-Partner werden mit US-Truppenabzügen vor vollendete Tatsachen gestellt. US-Senatoren erpressen einen deutschen Fährhafen mit Sanktionen. Von partnerschaftlichen Entscheidungsprozessen in der NATO kann da nicht mehr die Rede sein. Das NATO-Mitglied Türkei verletzt die Hoheitsrechte der Europäischen Union und des NATO-Partners Griechenland im östlichen Mittelmeer, es bricht Völkerrecht in Syrien und bedroht so die Sicherheit Europas. Russland ist Präsident Erdogan offenbar immer näher, als die NATO-Verbündeten. Der Bündniszusammenhalt ist auf dem Tiefpunkt.
Beim Verteidigungsminister*innentreffen wird es jedoch wieder nicht um die existentielle Krise der NATO gehen. Es wird mit Scheindebatten abgelenkt. Eine davon betrifft die Lastenverteilung. Das Zwei-Prozent-Ziel ist weder militärisch noch haushaltspolitisch sinnvoll – es ist einfach falsch. Die Absurdität dieses Ziels zeigt sich allein daran, dass Deutschland aufgrund des Corona bedingten Wirtschaftsabschwungs in diesem Jahr auf bis zu 1,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts kommen könnte. Gerade in der jetzigen ökonomischen Situation, wäre es umso fahrlässiger, wenn Deutschland blind zwei Prozent seines BIP für Verteidigung ausgibt. Annegret Kramp-Karrenbauer muss sich beim Verteidigungsminister*innentreffen klar für ein Ende des unsäglichen Zwei-Prozent Debatte einsetzen. Das Bündnis braucht eine vernünftige Lastenteilung.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg klammert sich an die Abschreckung gegenüber Russland. Er weigert sich über Abrüstung nachzudenken. Atomwaffen schaffen niemals mehr Sicherheit, sondern befeuern Wettrüsten. Sie gefährden den Frieden und die Sicherheit Europas. Europa darf sich mit dem Sterben des INF-Vertrages und dem Scheitern von New-Start nicht abfinden. Europa muss seine Außen- und Sicherheitspolitik endlich selbst in die Hand nehmen. Es bedarf einer europäischen Abrüstungsinitiative. Gerade deshalb müssen die Signale aus Moskau zur Rettung des NEW-START-Vertrages offensiv begrüßt werden. Nichts würde Wladimir Putin mehr freuen, als eine Absage an weitere Verhandlungen.
Die Kernaufgabe der NATO ist die Bündnisverteidigung. Sie kann nur gesichert werden, wenn die existenzielle Krise der NATO überwunden wird. Stoltenberg darf nicht länger die Augen vor den Interessenskonflikten innerhalb der Allianz verschließen.
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